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18.09.2025

Digitalisierung im Finanzwesen: Wie Automatisierung und KI Finance‑Teams 2025–2027 verändern

sep. 2025

Viele Finance‑Teams stehen 2025 unter Druck: E‑Rechnung ist bereits Pflicht, der AI‑Act rückt näher, SAP‑Roadmaps laufen. Der Artikel zeigt, wie Sie in 90 Tagen Compliance sichern, Automatisierung hebeln und messbar schneller abschließen.


Executive Summary

  • E‑Rechnungspflicht: Seit 1. Januar 2025 ist die strukturierte E‑Rechnung im inländischen B2B Standard. PDF allein zählt nicht mehr. Übergangsfristen gelten bis Ende 2026, für Kleinunternehmen und bestimmte EDI‑Verfahren bis Ende 2027. XRechnung und ZUGFeRD ≥ 2.0.1 (außer MINIMUM/BASIC‑WL) sind zulässig. Empfangen können muss jedes Unternehmen bereits jetzt. In hybriden Rechnungen ist der strukturierte Teil führend.
  • Regulatorik: Der EU‑AI‑Act gilt gestaffelt (u. a. Verbote ab 2. Februar 2025, GPAI‑Regeln ab 2. August 2025, breite Anwendung ab 2. August 2026). Kreditwürdigkeitsprüfungen für natürliche Personen zählen als Hochrisiko‑KI.
  • Finanzsektor‑Spezifik: DORA ist seit 17. Januar 2025 anzuwenden und verschärft ICT‑Resilienz, Auslagerungs‑ und Drittparteirisiken für beaufsichtigte Institute.
  • ERP‑Zeitachse: SAP Business Suite 7/ECC: Mainstream‑Maintenance bis Ende 2027, optionale Extended Maintenance bis 2030.
  • Adoption: 58 % der Finance‑Funktionen nutzten 2024 bereits KI; der Sprung gegenüber 2023 ist signifikant.
Warum gerade jetzt?

Vier strukturelle Treiber

  1. E‑Rechnung wird Pflichtstandard

    Die Umstellung auf EN 16931‑konforme Formate reduziert Medienbrüche und Fehler, beschleunigt P2P/O2C und steigert Automatisierungsgrade. Unternehmen müssen E‑Rechnungen empfangen können; die Ausstellung ist übergangsweise flexibel, die reine PDF‑Rechnung gilt aber nur noch als „sonstige Rechnung“.


  2. EU‑AI‑Act konkretisiert KI‑Leitplanken

    Zeitlich gestaffelte Pflichten und Risikoklassen (u. a. Hochrisiko für Credit Scoring natürlicher Personen) verlangen Dokumentation, Daten‑/Modell‑Governance und menschliche Kontrolle. CFO‑Bereiche sollten schon 2025 Prozesse, Modelle und Lieferanten auf Einstufung und Pflichten mappen.


  3. DORA für Finanzinstitute

    Für Banken/Versicherer schärft DORA Anforderungen an ICT‑Risiko, TPRM, Incident‑Meldungen und Resilienztests. Das betrifft auch Finance‑Prozesse, die auf kritische IT und Auslagerungen stützen.


  4. ERP‑Modernisierung

    Die 2027‑Frist im SAP‑Umfeld macht Prozess‑ und Datenstandardisierung dringlich. Automatisierung, Process Mining und GenAI entfalten ihren Nutzen besonders im Zuge einer S/4‑Migration.

KI-Use-Cases in Finance

Die wirkungsvollsten Automatisierungs‑ und KI‑Use‑Cases in Finance

Bevor Tools den Unterschied machen, entscheidet die Datenbasis. Strukturierte Belege, saubere Stammdaten und klare Kontrollen heben die Trefferquote und reduzieren Ausreißer. Auf dieser Grundlage entfalten KI und Workflow‑Automatisierung ihren Nutzen im Tagesgeschäft.


P2P (Einkauf–Rechnung–Zahlung)

  • Touchless‑Erfassung und Kontierung aus strukturierten E‑Rechnungen.
  • Dreiwege‑Abgleich, Ausreißer‑Detection, Duplicate‑Check.
  • Zahlungs‑Batches mit Risikosignalen (z. B. geänderte Bankdaten).

    Regulatorischer Rückenwind und strukturierte Daten erhöhen die Trefferquote und Audit‑Fähigkeit.

    Beispiel: Ein Unternehmen mit 12.000 Eingangsrechnungen pro Monat führt E‑Rechnung und regelbasierte Prüfung ein. Die Touchless‑Rate steigt von 35 auf 68 Prozent, die Freigabezyklen sinken von 6 auf 3 Tage. Dubletten werden früh erkannt, Zahlungen laufen bündelbar und revisionssicher.


O2C (Auftrag–Fakturierung–Cash)

  • KI‑gestützte Zahlungseingangsprognosen, Disput‑Clustering, Collection‑Priorisierung.
  • Automatische Stammdaten‑Checks zur Betrugsprävention.

    Hochrisiko‑KI greift hier nicht, solange keine natürliche Person kreditwürdigkeits‑bewertet wird.

R2R (Record‑to‑Report)

  • Journal‑Entry‑Vorschläge, regelbasierte Abstimmungen, Intercompany‑Matching.
  • Close‑Orchestrierung mit kritischen Pfaden, Anomaliehinweisen und Erläuterungstext‑Drafts.

    APQC‑Benchmarks zeigen seit Jahren große Spannbreiten: Top‑Quartil ≈ 4,8 Tage, Schlusslicht ≥ 10 Tage für den Monatsabschluss; Automatisierung senkt hier spürbar Durchlaufzeiten.

FP&A / Controlling

  • Treiberbasierte Forecasts mit Feature‑Stores, szenariobasiert und erklärbar.
  • GenAI für Kommentarentwürfe, Q&A zu Plan/Ist, Abweichungs‑Erklärungen mit Quellverweisen.

    Unter „Limited/Minimal Risk“ fallen viele interne Text‑/Analyse‑Assistenzen, solange Governance und Human‑in‑the‑Loop greifen.

Treasury & Risk

  • Liquiditäts‑Forecast, Exposure‑Netting, Frühwarnindikatoren.
  • Für Banken gilt zusätzlich DORA‑Compliance bei kritischen Treasury‑Systemen und Auslagerungen.

Tax & Compliance

  • E‑Rechnung + aktualisierte GoBD vereinfachen revisionssichere Aufbewahrung. Bei hybriden Rechnungen ist der strukturierte Datensatz führend; Aufbewahrung des Bildteils ist nur bei steuerlich relevanten Zusatzinfos nötig.
Architektur

Von „Tools“ zu einer belastbaren Data‑ und Control‑Fabric

  • Datenbasis: Transaktionsnahe, event‑basierte Speicherung (Belege, Postings, Statuswechsel) plus harmonisierte Stammdaten.
  • Schichten:
    1. System of Record (ERP, Subledger)
    2. Event/Docs‑Ingestion (E‑Rechnung, Bank, EDI)
    3. Analytics/Lakehouse für Kennzahlen, Forecasts, Explainability
    4. Automation (Workflows, RPA, Aufgabensteuerung)
    5. Controls (SoD, Vier‑Augen, Verfahrensdokumentation, Modell‑Governance) – ausgerichtet an GoBD, EU‑AI‑Act, ggf. DORA.
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Change & Skills

Das neue Rollenprofil im Finance

  • Data/Tech‑Fluency zusätzlich zum Rechnungswesen‑Know‑how.
  • Prozess‑ und Kontrollkompetenz für E‑Rechnung, digitale Nachvollziehbarkeit, IKS.
  • Model Stewardship: Prompt‑/Feature‑Engineering, Monitoring, Testen, Dokumentation.

Die Mehrheit der Finance‑Funktionen nutzt bereits KI oder plant kurzfristig den Einsatz. Das verstärkt den Bedarf an Upskilling und klaren Guardrails.

Regulatorische Anforderungen

Compliance‑Snapshot 2025–2027

  • E‑Rechnung B2B (DE): Strukturierte E‑Rechnung seit 1. 1. 2025 Regelfall; Ausstellung bis 12/2026 (bzw. 12/2027 bei ≤ 800 T€ Vorjahresumsatz) noch als „sonstige Rechnung“ möglich; Empfang muss ab 2025 sichergestellt sein. Formate: XRechnung, ZUGFeRD ≥ 2.0.1; EDI möglich, wenn EN 16931‑konform, sonst Übergang bis 2027. PDF ≠ E‑Rechnung.
  • GoBD (BMF‑Schreiben 11.03.2024; 14.07.2025): Präzisierungen zu Datenzugriff, E‑Rechnungen, führendem strukturiertem Teil und Aufbewahrung. Verfahrensdokumentation bleibt Pflicht.
  • EU‑AI‑Act: Veröffentlichung 12.07.2024; breite Anwendung ab 02.08.2026; wesentliche Meilensteine 2025/2026. Credit‑Scoring natürlicher Personen = Hochrisiko.
  • DORA (für beaufsichtigte Institute): gilt seit 17.01.2025; BaFin‑Hinweise konkretisieren Umsetzung, u. a. für ICT‑TPRM.
  • SAP‑Wartung: Business Suite 7/ECC Mainstream bis 12/2027, Extended bis 12/2030.

ROI realistisch messen

  • Abschlussdauer: Top‑Quartil ca. 4,8 Tage vs. ≥ 10 Tage im Schlussquartil (APQC‑Benchmark; häufig zitiert). Setze Ziele gegen externe Benchmarks statt „gefühlter“ Basis.
  • E‑Rechnung: Reduziert manuelle Erfassung, beschleunigt Prüf‑/Freigaben und verbessert Datenqualität entlang P2P/O2C. (BMF nennt explizit Einspar‑ und Fehlerpotenziale durch strukturierte Daten.)
  • Adoption: Breite KI‑Nutzung in Finance (58 %) spricht für erprobte Anwendungsfälle, nicht nur Piloten. KPI‑Cluster: Durchlaufzeit, Touchless‑Rate, Ersttrefferquote, Ausreißerquote, DSO/DPO, Abschlussdauer, Prüfungs‑Feststellungen.

90‑Tage‑Plan für CFO‑Teams

  1. Pflichtcheck: E‑Rechnungs‑Readiness (Formate, Kanäle, Archiv), GoBD‑Verfahrensdoku aktualisieren.
  2. KI‑Risikomapping: Alle bestehenden und geplanten KI‑Use‑Cases dem AI‑Act‑Schema zuordnen; Credit‑Scoring gesondert behandeln.
  3. Daten‑/Kontroll‑Backbone: Ereignis‑ und Belegdaten zentralisieren; Rollen/Rechte, SoD und Modell‑Governance verankern.
  4. 3 Quick‑Wins:
    • E‑Rechnung → Automatische Erfassung/Kontierung.
    • R2R‑Abstimmungen und JE‑Vorschläge.
    • GenAI‑Assistent für Management‑Kommentare mit Pflichtquellenangabe.
  5. ERP‑Roadmap mit 2027‑Zielbild synchronisieren; Prozess‑Standards vor Tool‑Tiefe.
  6. Upskilling für Finance‑Mitarbeitende in Daten, Automatisierung, KI‑Governance.
FAQ

Häufige Fragen

Ist eine per E‑Mail gesendete PDF‑Rechnung noch ausreichend?

  • Nein. PDF allein ist seit 01.01.2025 keine E‑Rechnung mehr; zulässig sind strukturierte Formate nach EN 16931 (z. B. XRechnung, ZUGFeRD ≥ 2.0.1, mit Ausnahmen).

Muss jedes Unternehmen E‑Rechnungen empfangen können?

  • Ja, seit 01.01.2025 genügt dafür bereits ein E‑Mail‑Postfach; Viewer stehen bereit.


Welche KI‑Use‑Cases sind „Hochrisiko“?

  • Unter anderem Kreditwürdigkeitsprüfungen natürlicher Personen. Interne Analytik/Assistenzen sind meist niedriger eingestuft, benötigen aber Governance.


Gibt es feste Deadlines für SAP‑Altumgebungen?

  • Ja. Mainstream‑Maintenance für Business Suite 7/ECC bis Ende 2027, Extended bis 2030.
Get ready

Praxis‑Checkliste für die Umsetzung

  • E‑Rechnung live (Formate, Austausch, Archiv, Prüfpfad), inkl. Supplier‑Enablement.
  • GoBD‑konforme Verfahrensdoku inkl. E‑Rechnungs‑Prozess und Systemzugriff.
  • AI‑Act‑Register der KI‑Anwendungen mit Risikoklasse, Datenquellen, Kontrollen.
  • Kontrollkatalog (SoD, Vier‑Augen, Logiktests, Master‑Data‑Kontrollen).
  • Schlüssel‑KPIs: Touchless‑Rate AP/AR, DSO/DPO, Abschlussdauer, Abweichungsquote, Rework, Prüfungs‑Findings.

Ausblick

Finance wird digitaler, kontrollierter und schneller. E‑Rechnung, AI‑Act, DORA und ERP‑Modernisierung setzen den Rahmen. Wer Datenqualität, Automatisierung und Governance verzahnt, verkürzt Zyklen, reduziert Risiken und schafft Raum für wertschöpfende Analysen.

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